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Gegenwind (!) lässt Drachen steigen...

 

... und fordert Radfahrer, indem er die entsprechende Trainingsintensität beschert.

 

Doch der Gegenwind in dieser Region Kataloniens zu dieser Jahreszeit ist nicht die einzige Herausforderung, die es in den kommenden Tagen für mich zu bewältigen gilt.

 

Die erste Herausforderung für mich liegt darin, nach meiner kleinen Geburtstagsfeier noch in der Nacht rechtzeitig zum Flughafen aufzubrechen. Etwas müde treffe ich hier bereits sieben Mitstreiter, allesamt Radler der (VOR-)TOUR der Hoffnung und alle auf dem Weg nach Cambrils/Katalonien zum RadsportCamp mit Reimund Dietzen.

 

In Spanien angekommen wird unsere Hoffnungsradler-Gruppe schließlich durch Nicole und Michael, aus Zürich angereist, komplettiert.

 

Immer noch müde, dennoch zu Späßen aufgelegt, bahnt sich meine zweite Herausforderung bereits an. Meine Aussage, dass mein Koffer bestimmt wie immer als letzter auf's Gepäckband kommt, wird zügig revidiert: Er kommt überhaupt nicht.

 

Ich lerne: Egal wie alt man wird, neue Erfahrungen sind garantiert (gut so!).

Und: auch wenn man sich in Sachen Reiseorganisation um überhaupt nichts kümmern muss, wie in diesem meinem Fall, so wäre es doch von Vorteil zu wissen, in welchem Hotel man untergebracht sein wird. Für den Fall, dass der Koffer noch nachkommt und zugestellt werden soll.

 

Der Lost-&-Found-Schalter ist schnell ausgemacht, die Formalitäten erledigt.

 

Wir werden schon in der Ankunftshalle von Alois Stöcklin(*) erwartet und per Transfer direkt in das etwa eine Stunde Fahrtzeit entfernte Cambrils zum Hotel gebracht.

 

Carrer Consolat de Mar, Cambrils
Carrer Consolat de Mar, Cambrils

 

 

Ankommen

 

Bei strömendem Regen kommen wir an, checken ein. Mein Koffer ist zwar immer noch in Deutschland, aber mein Zimmer ist schon mal bezugsfertig.

 

Also nutze ich die Zeit und kümmere mich um ein Rad - meine Pedale sind im Koffer, somit werden mir welche von DiRo-Radreisen zur Verfügung gestellt. Trikot und Trinkflasche erhalte ich ebenfalls.

 

Jetzt heißt es für mich: Warten (meine nächste Herausforderung) und Hoffen, dass mein Koffer doch heute noch nachkommt.

 

Der Regen lässt nach, der Hunger ist gestillt. Während ein Teil der Gruppe schon mal etwas einrollt (leider ohne mich, Radschuhe und Radklamotten sind noch immer unterwegs), schaue ich mir mit Britta etwas von Cambrils an und lasse mich am Strand durchpusten.

 

Port de Cambrils
Port de Cambrils
Regenpause. Am Strand von Cambrils
Regenpause. Am Strand von Cambrils
Esglesia de Sant Pere, Cambrils
Esglesia de Sant Pere, Cambrils

 

Auch vor Ort in Cambrils wird durch DiRo-Radreisen für die VOR-TOUR gesammelt und werden Aktionen initiiert. Reimund selbst fährt bei der VOR-TOUR mit, Alois ist seit Beginn an auch bei der Tour der Hoffnung mit dabei.

 

VOR-TOUR-Wein haben wir selbstverständlich auch mit im Gepäck.
VOR-TOUR-Wein haben wir selbstverständlich auch mit im Gepäck.

 

Nach der offiziellen Begrüßung am Abend und dem Vorstellen des gesamten Teams von DiRo-Radreisen inclusive der Guides für die verschiedenen fünf/sechs Gruppen - je nach Leistungsstärke - erhalte ich während des Abendessens die ersehnte Info: Nach nunmehr zwölf Stunden Verspätung ist nun auch mein Koffer in Cambrils im Hotel angekommen!

 

Jetzt kann mein RadCamp richtig losgehen.

 

Doch die nächste Herausforderung lässt natürlich nicht lange auf sich warten. Der Koffer ist ausgepackt, alle (Innen-)Taschen geprüft und nachgeschaut. Doch das Ladekabel für mein smartphone bleibt unauffindbar. Und Ihr wisst, dass ich auch gerne von unterwegs auf instagram oder auf meiner Fanpage poste.

 

Ein ganz großes Dankeschön an Britta, dass sie mit mir ihr Ladekabel in den kommenden Tagen teilt. Ich kann somit während unserer Touren das ein oder andere Foto machen und bin auch immer mal wieder online.

 

Täglich mit mir auf Radtour gehen Hans-Jürgen, Rudi, Britta, Paul, Jürgen, Michael, Karsten und Nicole
Täglich mit mir auf Radtour gehen Hans-Jürgen, Rudi, Britta, Paul, Jürgen, Michael, Karsten und Nicole

 

 

Einrollen. Tag 1

 

Nach einem ausgiebigen Frühstück treffen sich alle Radfahrer bis 10.00 Uhr an der Promenade am Hafen und schließen sich den verschiedenen Gruppen an. Uli Rottler und Reimund Dietzen guiden jeweils die Gruppen 1 und 2, Alois Stöcklin und Klaus Jördens die Gruppen 3 und 4.

 

Wir schließen uns Berti und Peter an (Gruppe 5 (6)) - liebevoll auch Cappuccino-Gruppe genannt.

 

Gruppe 5 (6). Foto: Berti
Gruppe 5 (6). Foto: Berti
Es kann los gehen. Alois - Gruppe 4 - spricht uns VOR-TOUR-der-Hoffnung-Radlern Mut zu  😉
Es kann los gehen. Alois - Gruppe 4 - spricht uns VOR-TOUR-der-Hoffnung-Radlern Mut zu 😉

 

Am Sonntag geht es rund 62 km rund um Cambrils. Vorbei an Reus bis zum Stausee Panta de Riudecanyes. Durch Kiefernwälder führt uns der Weg fast bis hinauf zum Bahnviadukt bei Duesaigües.

 

by Michael W.
by Michael W.
bei Duesaigües
bei Duesaigües
Bahnviadukt bei Duesaigües
Bahnviadukt bei Duesaigües

 

Wir drehen bei Duesaigües, fahren den Weg entlang des Stausees wieder zurück und werden unserem Gruppennamen gerecht: Pause in einer kleinen Bar in Riudecanyes, bevor wir locker wieder zurück nach Cambrils zum Hotel rollen (manche mit einem Abstecher vorab zum "Kölner").

Um 16.30 Uhr geht's für uns aber erst mal zur Pasta-Party im Hotel - den Kohlehydratspeicher wieder auffüllen.

 

Pause.
Pause.
Abschluss "beim Kölner" - Sol Sombra. Foto: Berti
Abschluss "beim Kölner" - Sol Sombra. Foto: Berti

 

 

Radfahren bis der Hunger kommt? Tag 2

 

Der Montag beschert mir wieder die nächste Herausforderung.

 

Alles fängt gut an. Wir rollen mit Berti und Peter aus Cambrils Richtung les Borges del Camp. Die Steigung nimmt etwas zu. Zum ersten Mal muss ich hier für mich die Erfahrung machen, wie es sich anfühlt, nah an einen Hungerast heranzukommen. Mir wird schwindlig, mein Kreislauf verabschiedet sich, Übelkeit macht sich breit.

Die Gruppe 5 fährt davon, wir (Britta und Berti bleiben bei mir) machen somit Gruppe 6 auf.

Ich denke, das Schlimmste kann ich abwehren: ich führe mir rasch Kohlehydrate zu und trinke. Ich weiß sehr wohl, dass man es gar nicht so weit kommen lassen darf: essen und trinken, bevor man Hunger und Durst bekommt!

 

Ich fühle mich relativ schnell wieder besser und wir folgen Gruppe 5 auf der Abfahrt bis nach la Selva del Camp, wo es für alle wieder heißt: Pause. Cappuccino.

 

by Michael W.
by Michael W.
Pause in la Selva del Camp
Pause in la Selva del Camp
Durch die Gassen von la Selva del Camp
Durch die Gassen von la Selva del Camp
la Selva del Camp
la Selva del Camp
la Selva del Camp
la Selva del Camp

 

Doch mit dem Fast-Hungerast ist nicht genug für heute. Es scheint typisch für mich zu sein, dass ich regelmäßig am 2. Radtag Krämpfe bekomme - trotz Magnesium und isotonischen Getränken.

So auch heute wieder. Und zum zweiten Mal für heute wird die Karte "Gruppe 6" für mich gezogen. Berti und ich fahren kurz hinter Mont-Roig del Camp links ab Richtung Küste, verkürzen um einige Kilometer unsere Runde heute (ich komme so nur auf 79 km) und warten an der Küstenstraße auf Gruppe 5 mit Peter und den anderen. Bei mir ist bis dahin wieder alles gut - es geht wieder gemeinsam zurück nach Cambrils.

 

 

 

16% - steil hinauf - Schieben ist keine Schande. Tag 3

 

Einen Teil der Strecke kenne ich noch von Sonntag - wir erreichen wieder den Stausee und fahren bei Duesaigües weiter den Anstieg hinauf bis Pradell de la Teixeta.

 

Foto: Berti
Foto: Berti

 

Tatsächlich hat das Cafe geöffnet, so dass wir uns hier bei einem Kaffee etwas aufwärmen können.

 

Der Fernseher läuft im Gastraum. Auch wenn wir kein Spanisch verstehen: die Fotos sprechen für sich. Die schlimmen, feigen und widersinnigen Anschläge in Brüssel werfen einen Schatten auf unsere Stimmung, machen uns betroffen, traurig und sprachlos. Während Tote betrauert werden, Verletzte um ihr Leben kämpfen ist es schwer zu akzeptieren, dass es andernorts "einfach weiterläuft", dieses Leben.

 

by Michael W.
by Michael W.
Pradell de la Teixeta
Pradell de la Teixeta

 

Die Zeichen muss man setzen: Dass Terror nicht das letzte Wort sein darf, die letzte Tat sein kann.

Sondern Verständigung. Dialog. Miteinander. Füreinander.

 

Und das fängt auch im Kleinen an. Im Alltag. Im "Nicht-unbedingt-Weltbewegenden".

 

Und ich darf das "Miteinander" heute wieder ganz intensiv erfahren. Nicht nur, dass Michael mich an der folgenden Steigung mit hochzieht, mir wichtige Tipps in Sachen Radfahrtechnik gibt und ich stolz und motiviert diese Steigung bewältige.

 

Sondern auch, dass die Gruppe 5 (6) wieder zusammenhält, keiner murrt und mault, weil gewartet wird und wir immer gemeinsam am Ziel einrollen. Dafür jetzt schon mal ein ganz großes Dankeschön an alle Mit-Radfahrer! Und an unsere beiden Guides Peter und Berti!

 

Ihr seid großartig!

 

by Michael W.
by Michael W.

 

Sobald ich den Pass hinter la Torre de Fontaubella Richtung Colldejou mit Michaels moralischer Unterstützung erreicht habe, fängt die wohlverdiente und geniale Abfahrt an. Bis kurz vor Mont-Roig del Camp lassen wir rollen, die Sonne kommt auch mal raus und wärmt uns auf. Einige fahren direkt weiter nach Cambrils, wir nehmen noch einen Abstecher zur Ermita de la Mare de Déu de la Roca de Mont-Roig.

 

Das heißt aber auch: eine Steigung von bis zu 16% zu überwinden.

 

Nun denn - ich sage es direkt: diese Herausforderung schaffe ich nicht. Ich schiebe mein Rad diese 16% hinauf. Sehr zum Gefallen unseres Foto-/Kamerateams Peter und Berti. Ist doch klar, dass dieses Bild/diese Sequenz Eingang findet in den Film von beiden :-).

 

Die m.E. überflüssigen und überheblich wirkenden Kommentare eines Einzelnen aus einer der stärkeren Leistungsgruppen zu meiner "Rad-Schiebe-Aktion" bei der Vorabschau des Films im Hotel machen mich erst wütend und mächtig traurig.

Aber dann wird mir wieder ganz rasch bewusst, mit welch tollen Rad-Kollegen und Guides ich bei diesem Camp mit Spaß und Freude unterwegs bin. Und dass man auch als Letzte am Ziel sein darf, egal in welcher Leistungsgruppe.

 

Ihr kennt mein Motto: ins Ziel kommen, sturzfrei, wenn möglich mindestens als Vorletzte 😉 - wie hier bereits beschrieben.

Hauptsache ist doch, man ist dabei, erreicht das Ziel, gibt nicht auf, ist motiviert und arbeitet weiter an sich, lernt dazu (dies gilt doch für alle Leistungsgruppen - von Profi bis Anfänger, oder? Und für die, die - aus welchen Gründen auch immer - nicht täglich auf's Rad steigen (können)).

 

la Torre de Fontaubella
la Torre de Fontaubella

 

Leider ist die Ermita de la Mare de Déu de la Roca de Mont-Roig nicht geöffnet. So können wir nur den Ausblick von diesem stark erodierten Felsen hinab genießen und brechen doch aufgrund des aufkommenden starken und kalten Windes zügig wieder auf. Nicht ohne noch kurz einen Stopp bei der 250 m langen Radrennbahn bei Mont-Roig einzulegen. Es ist bestimmt nicht einfach, auf dieser 45°-geneigten Rennbahn Rad zu fahren.

 

Wir sind ganz in Vorfreude auf den Abend: Wir treffen Reinhard und Ingrid von der Tour der Hoffnung. Sie haben hier in der Nähe eine Ferienwohnung und sind zufällig gerade vor Ort. Sie lassen es sich nicht nehmen, den Weg nach Cambrils auf sich zu nehmen und mit uns am Abend in einem der Restaurants in der Carrer Consolat de Mar sehr gut Essen zu gehen (nicht, ohne vorher in einer Bar als Aperitif einen guten Wermut probiert zu haben).

 

Ermita de la Mare de Déu de la Roca de Mont-Roig.
Ermita de la Mare de Déu de la Roca de Mont-Roig.
Ermita de la Mare de Déu de la Roca de Mont-Roig.
Ermita de la Mare de Déu de la Roca de Mont-Roig.
Foto: N.N.
Foto: N.N.

 

 

Ruhetag. Tag 4

 

Nach über 200 Radkilometern mit über 2000 Höhenmetern in den ersten drei Rad-Tagen haben wir uns den Ruhetag am Mittwoch verdient.

 

Wir fahren kurz in Reus vorbei. Die zweitgrößte Stadt Südkataloniens liegt etwa 10 km von der Costa Daurada im Landesinnern. Hier ist 1852 der Architekt Antoni Gaudi geboren. Das Gaudi Centre als interaktives Museum vermittelt per Fotos, Filme etc. viel über den wohl bekanntesten Sohn dieser Stadt.

Auch kann man in Reus sehr gut einkaufen.

Bekannt ist die Stadt zudem für ihre Haselnüsse. 90% aller in Spanien verkauften Haselnüsse kommen aus Reus.

 

Das Rathaus von Reus.
Das Rathaus von Reus.
Casa Navas, Reus.
Casa Navas, Reus.

 

Doch unser Weg führt uns weiter nach Tarragona.

Bereits 218 v. Chr. wurde hier der erste römische Legionsstandort außerhalb Italiens gegründet. Kein Wunder also, dass man hier viele römische Bauwerke bestaunen kann, die seit einigen Jahren zu den Weltkulturerbestätten der UNESCO gehören.

 

Wir kommen erst am Hafen vorbei, der mit zu den wichtigsten des Mittelmeeres gehört, und fahren über die Rambla Nova auf der Suche nach einem Parkplatz nach Tarragona rein.

 

Rambla Nova
Rambla Nova
Am Ende der Rambla Nova: der "Balkon des Mittelmeeres" mit einer herrlichen Aussicht auf das Mittelmeer und die Costa Daurada.
Am Ende der Rambla Nova: der "Balkon des Mittelmeeres" mit einer herrlichen Aussicht auf das Mittelmeer und die Costa Daurada.
Seifenblasen tanzen in der Sonne im Wind.
Seifenblasen tanzen in der Sonne im Wind.
Platja del Miracle.
Platja del Miracle.

 

Das Amfiteatre Romà gehörte zu jeder römischen Stadt dazu. Es ist hier in Tarragona noch fast vollständig erhalten und liegt am Meer. Dieser Standort war insofern günstig gewählt, da hier direkt die Gefangenen und die Tiere von den Schiffen angeliefert werden konnten. Auch wurde das Amphitheater mit Meerwasser gefüllt, um Seeschlachten nachspielen zu können.

 

Amfiteatre Romà
Amfiteatre Romà

 

Unterteilt ist Tarragona in einen höher und einen niedriger gelegenen Teil. Verbunden sind diese über Treppen und steile, enge Straßen.

 

Blick auf den Placa de la Font.
Blick auf den Placa de la Font.

 

An der Kathedrale de Santa Maria wurde über 160 Jahre gebaut. Daher zeigt sie Elemente von der Romanik bis zur Gotik.

 

Das gotische Hauptportal der Kathedrale mit reichen Skulpturenschmuck und großer Rosette.
Das gotische Hauptportal der Kathedrale mit reichen Skulpturenschmuck und großer Rosette.

 

Direkt vor der Kathedrale Santa María ist die Bar Sha mit einem Secondhandladen - und einem schönen (Holz)Balkon.

 

 

Der Nachmittag neigt sich dem Ende. Wir genießen die Sonne und unsere Tappas auf dem Placa de la Font vor dem Rathaus, bevor wir - nicht ohne einen Abstecher zu Reinhard und Ingrid zu machen und hier auf der Terrasse zum Abschluss dieses wunderschönen Tages einen guten Kaffee zu trinken - wieder nach Cambrils aufbrechen.

 

Voll mit Eindrücken. Satt. Ausgeruht.

 

Mit Vorfreude auf die Königsetappe am kommenden Tag.

 

Am Placa de la Font, Tarragona.
Am Placa de la Font, Tarragona.

 

 

Königsetappe - Tag 5

 

Heute geht es etwas früher los. Wir verladen unsere Räder in einen Anhänger und fahren bis zum Ausgangspunkt unserer heutigen Tour bei Poboleda im Priorat mit dem Bus.

Es erwarten uns heute drei Pässe durch den Parc Natural Del Montsant, bevor wir wieder an unseren Ausgangspunkt bei Poboleda zurückkommen.

 

by Michael W.
by Michael W.

 

Es ist ungeheuer frisch, obwohl die Sonne scheint. Britta und ich kurbeln den ersten Anstieg bis zum Coll d'Albarca, dem höchsten Übergang des Priorat, Umdrehung für Umdrehung hinauf. Berti ist immer an unserer Seite.

 

Das vorgestern Gelernte wird angewendet. Die Konzentration hierauf hat mich wohl von etwas anderem abgelenkt:

Mir geht's prima, ich komme gut und in meinem Rhythmus den Anstieg hinauf. Ich weiß bei meinem Blick auf mein hinteres Kettenblatt, dass ich hier bereits auf dem großen Ritzel fahre.

Doch: Oben angekommen fragt mich Karsten, warum ich denn vorne nicht auf's kleine Blatt geschaltet habe.

Oho.

Gute Frage!

Weil's nicht nötig war? Ups.

 

Ob ich jetzt aber bereits alle meine Körner verschossen habe, wird der Tag noch zeigen.

 

Foto: Peter
Foto: Peter
Foto: Peter
Foto: Peter
Foto: Peter
Foto: Peter
Den ersten Pass haben Britta und ich schon mal geschafft! Noch lächeln wir.
Den ersten Pass haben Britta und ich schon mal geschafft! Noch lächeln wir.

 

Auf der folgenden Abfahrt können die Beine wieder etwas ausruhen. Sanft trete ich weiter und entspanne die Muskulatur. An Ulldemolins vorbei führt uns die Straße dann wieder hinauf. Wir passieren beeindruckende Felsformationen dieses bizarr geformten Gebirges und haben wunderschöne Ausblicke.

 

 

Den Ausblick und die kurze Rast genießen wir nicht lange. Zu kalt bläst der Wind. Es geht weiter etwas bergan in Richtung Coll del Grau. Man kann die Pyrenäen mit ihren schneebedeckten Gipfeln am Horizont erahnen.

 

 

Schließlich führt uns der Weg wieder hinab, Richtung Margalef am Westrand des Naturparks Montsant. Dieser kleine Ort mit etwas über 100 Einwohnern ist weltweit als Sportklettergebiet bekannt.

Heute machen wir Rennradfahrer hier einen Stopp. Doch bevor wir mit Gruppe 5 (6) hier in den Genuss eines warmen Kaffees gelangen, sprintet Gruppe 1 mit Uli ins Café. Und bevor wir uns überhaupt sortiert und platziert haben, hat Gruppe 1 bereits ihren Kaffee "genossen" und sitzt schon wieder auf ihren Rennmaschinen.

 

Viel deutlicher kann man uns nicht bewusst machen, dass wir nunmal die erlebnis- und genussreiche Cappuccino-Gruppe sind.

Wir stehen dazu und werden dem auch gerecht: Wir sitzen in der Sonne, legen die Füße hoch und lassen es uns richtig gut gehen, bevor wir den Weg weiter antreten, um diese Runde um das Montsant-Gebirge zu Ende zu bringen.

 

Das 100-Einwohner-Dörfchen Margalef im Montsant-Gebirge.
Das 100-Einwohner-Dörfchen Margalef im Montsant-Gebirge.

 

Es wird späterer Nachmittag. Über 2/3 dieser Runde von 78 km sind geschafft. Auf dem Weg nach Vilella Baixa überholt uns Gruppe 2 mit Reimund. Beim Überholen besteht die Gelegenheit eines kleinen, kurzen Plausches mit Reimund über Wohlbefinden und Gefallen dieser heutigen Tour. Und schon ist Gruppe 2 an uns vorbeigezogen.

 

Der Reflex unserer Spitze, sich dem Tempo von Gruppe 2 anzupassen, ist kurz da. Aber ihm wird widerstanden. Wir kommen wieder zusammen und fahren in unserem Tempo bis zur letzten Rast für heute in Vilella Baixa, einem kleinen Ort mit einer mittelalterlichen Altstadt, einer Pfarrkirche aus dem 18. Jahrhundert und 200 Einwohnern.

 

la Vilella Baixa.
la Vilella Baixa.

 

Wir wissen: es folgt ein letzter längerer Anstieg. Berti fährt mit Rudi, Britta und mir zehn Minuten früher los, so dass - hoffentlich - mal oben nicht auf uns/mich gewartet werden muss.

 

Für mich ziehen sich diese letzten Kilometer wie Kaugummi. Sie wollen kein Ende nehmen. Endlich haben wir den Anstieg geschafft. Und schon kommt der Rest unserer Gruppe um die Ecke. Es geht direkt weiter, sanfte Wellen fordern Treten und Rollen lassen.

 

Endlich kommen wir an Poboleda vorbei. Ich bin auf den letzten Kilometern. Mir ist kalt. Ich bin müde. Und ich bin ein wenig stolz. Es ist geschafft!

 

Ich blicke in die Gesichter der anderen Radfahrer. Sie haben sich für die alternative Rückfahrt entschieden und stehen startklar für den vierten Paß: Die 5 km über den Coll D'Alforja bis Alforja - oder gar ganz zurück bis Cambrils.

 

Britta und ich verstauen unsere Räder im Anhänger, ich gebe meine letzten Kohlehydratriegelreste an Jürgen ab, da ihn zwar der Hunger quält, er aber mit dem Rad zurück nach Cambrils möchte, um die 100-km-Marke heute zu knacken.

 

Noch während wir alles verstauen, zieht die Gruppe los. Wir holen sie erst wieder kurz vor dem Coll D'Alforja mit unserem Bus ein.

 

Wir warten in Alforja, laden Britta II. mit Rad hier noch mit ein. Der Rest der Gruppe fährt direkt weiter nach Cambrils. Sie kommen nicht viel später als wir, dafür aber etwas unterkühlter, im Hotel in Cambrils an.

Respekt!

 

Bei Alforja.
Bei Alforja.
Warten.
Warten.

 

 

Abschlussrunde. Tag 6

 

Heute treten wir VOR-TOUR-Radler minimiert zur Tour mit Berti und Peter an.

Auf unserem Plan steht heute das Castell D' Escornalbou.

 

Den Weg bis zum Stausee Panta de Riudecanyes kenne ich ja jetzt schon ganz gut und ich weiß, was mich bis dahin erwartet. Michael hält permanent ein Auge drauf, dass ich ausreichend esse und trinke. Blöd nur, dass ich bei einem kurzen Stopp meine Windjacke so ungeschickt in meinen Rückentaschen verstaut habe, dass ich nicht ohne Komplikationen an meine Riegel rankomme. Die nächste Steilvorlage für Sticheleien 😉. Bis ich also meine Rückentaschen sortiert habe, hilft mir Michael mit Riegeln aus.

 

Wieder etwas dazu gelernt👍: Ordnung halten!

 

by Michael W.
by Michael W.

 

Von der Terrasse des Cafès in l'Argentera können wir auf dem Hügel Santa Barbara das Castell D' Escornalbou bereits erkennen. Es befindet sich auf dem Sattel, rechts daneben auf der Spitze ist ein Turm mit einer Aussichtsplattform, zu der man schließlich ca 200 m zu Fuß hinauf muss.

 

Letzte Rast: l' Argentera.
Letzte Rast: l' Argentera.

 

Nachdem ich die ca 4 km bis zum Klosterberg auch tatsächlich geschafft habe, stehe ich schon wieder vor der Herausforderung der Bewältigung der letzten Meter mit einer Steigung von 16%.

 

Während Berti dies locker im Sattel schafft.......

 

Foto: Michael
Foto: Michael

 

....greife ich wieder zu meiner altbewährten Methode und schiebe die letzten Meter bis zum Castell hinauf.

 

Und werde belohnt mit einem fantastischen Ausblick über Südwest-Katalonien!

 

Castell D' Escornalbou
Castell D' Escornalbou
Blick auf l'Artentera.
Blick auf l'Artentera.
Im Tal kann man das Viadukt bei Duesaigües ausmachen.
Im Tal kann man das Viadukt bei Duesaigües ausmachen.
Duesaigües.
Duesaigües.

 

Lange harren wir nicht oben auf der Spitze aus, der Wind ist wieder mächtig frisch und uns zieht es wieder hinunter in den Innenhof des Castells.    

Von dort treten wir die Abfahrt Richtung Mont-Roig del Camp an und folgen wieder der Küstenstraße nach Cambrils, um rechtzeitig zur Pasta-Party zurück zu sein 😊.

 

Gipfelfoto.
Gipfelfoto.

 

Während wir uns den Berg zum Castell hinauf gequält haben, sind Hans-Jürgen, Paul, Karsten und Britta unterwegs nach Valls, um hier die Zieleinfahrt der Katalonien-Rundfahrt mit zu erleben.

 

Die Etappe gewinnt Wout Poels vom Team Sky. In der Gesamtwertung liegt Nairo Quintana, Movistar, vorne.

Quintana gewinnt schließlich die 96. Katalonien-Rundfahrt.

 

Nairo Quintana in Valls. Foto: Britta U.
Nairo Quintana in Valls. Foto: Britta U.

 

Der letzte Abend in Cambrils ist da.

Es gilt nochmal Danke zu sagen an das gesamte Team rund um Uli und Reimund! Ihr Alle habt einen großartigen Job gemacht!

 

400 Kilometer. Über 4.100 Höhenmeter. Und mächtig viel Spaß! Danke für alles an die Hoffnungsradler, v.a. an Jürgen für die gesamte Reise-Orga für mich! Und danke an Reimund, Uli, Alois und Klaus!
400 Kilometer. Über 4.100 Höhenmeter. Und mächtig viel Spaß! Danke für alles an die Hoffnungsradler, v.a. an Jürgen für die gesamte Reise-Orga für mich! Und danke an Reimund, Uli, Alois und Klaus!

 

Die Koffer sind wieder gepackt.

Die Beine ein ganz klein wenig schwer.

Peter geht mit mir nochmal unsere Touren auf der Karte durch - der Erinnerung und des Blogartikels wegen.

 

Freu mich auf's Wiedersehen - ob in Cambrils, zur VOR-TOUR oder .....!

 

Es geht doch nichts über eine gute alte Karte..... Danke, Peter, für die Erinnerungsstützen 😉.
Es geht doch nichts über eine gute alte Karte..... Danke, Peter, für die Erinnerungsstützen 😉.

 

Bin auf dem Heimat-Flughafen gut angekommen. Auch der Koffer ist mit dabei!

Wärmende Sonne empfängt uns in Frankfurt......

 

 

....und schließlich endet der Tag und diese Woche mit einem wunderschönen Sonnenuntergang im Hunsrück.

 

Heimat.

 

Hunsrück. Heimat.
Hunsrück. Heimat.

 

Danke!

Gehaichnis!

 

Ein starkes Team.
Ein starkes Team.

 

P.S.: Das Ladekabel meines smartphones ist noch immer verschollen, muss auf dem Weg nach Spanien seinen eigenen Weg eingeschlagen haben.

 

P.P.S: Hier geht's zum Bericht des letzten RadCamps auf Mallorca in der Casa Ciclista im vergangenen Mai.



(*)

Alois Stöcklin, seit Beginn der VOR-TOUR der Hoffnung eng verbunden und engagiert und früherer Weltrekordhalter im Langstreckenfahren, ist am 22.08.2018 mit 70 Jahren ums Leben gekommen. Er war mit dem Rennrad unterwegs und wurde an einer Kreuzung von einem LKW erfasst und getötet. 

Alois war, seit dem ich bei der VOR-TOUR dabei bin, immer ein wichtiger, toller, wertvoller, Mut machender Mensch an meiner „Rennradfahrerin-Seite“.

RIP Alois 

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Kommentare: 6
  • #1

    Anja Wendling (Dienstag, 29 März 2016 11:46)

    Hallo Anja, grüß Dich...
    ...ein toller, weil sehr authentischer Bericht, der eine ereignisreiche Woche in jeglicher Hinsicht sehr emotional widerspiegelt. Die Städte-, Dörfer- Detail- und Landschaftsaufnahmen sind "eine Wucht".
    Und in der Tat, liebe Anja, wir waren eine Gruppe von Radsportlern, die das Wort "Team" gelebt haben. Auch als 5er-Gruppe haben wir doch ein schönes Basistraining hingelegt. Eine sehr gute Vorbereitung schon recht früh in der Saison!!!

  • #2

    Anja (Mittwoch, 30 März 2016 21:00)

    Vielen lieben Dank für die schöne Rückmeldung!
    Es waren tolle Erlebnisse mit tollen Menschen in einer tollen Region. Da hat es riesig Spaß gemacht, dieses Revue passieren zu lassen.
    LG, Anja

  • #3

    Frank (Donnerstag, 31 März 2016 20:55)

    Respekt - damit geht es aber wirklich gut vorbereitet zur Vor-Tour ;-)

  • #4

    Anja (Freitag, 01 April 2016 22:58)

    Stimmt, Frank! Hoffe dennoch auf ein paar weitere Radkilometer bis zur VOR-TOUR

  • #5

    Reimund (Montag, 26 August 2019 09:58)

    Hallo Anja, bin begeistert über den schönen und gut recherchierten Bericht deiner Radwoche bei uns in Cambrils. Hat uns auch gefreut, die Gruppe der Vor-Tour der Hoffnung als Gast bei uns an der Costa Dorada zu betreuen . Liebe Grüße Reimund

  • #6

    Anja (Montag, 26 August 2019 21:16)

    Lieber Reimund,

    vielen lieben Dank für Dein Feedback!
    Es war eine tolle Woche bei Dir in Cambrils, an die ich noch immer gerne zurück denke und in der ich viele wertvolle Tipps erhielt.

    Schön, dass wir uns alljährlich zur VOR-TOUR der Hoffnung hier in unserer Heimat RLP wieder sehen. Und wer weiß: vielleicht klappt's ja nochmal mit einer gemeinsamen Radtour auch durch Katalonien.....

    Liebe Grüße
    Anja