Und dann stehst Du lächelnd auf Deinem Weg, schaust zurück und denkst:
Damals, dahinten, als ich dachte, ich schaffe das nicht!
Eine Transalp mit dem Rennrad steht seit längerem auf meiner Bucketlist. Nun ist es soweit.
Gemeinsam mit 11 weiteren Rennradfahrenden, unserem Guide Gregor und Marius, der mit unserem Begleitfahrzeug das Gepäck und einiges an Verpflegung von Standort zu Standort bringt und zwischendurch immer wieder an unserer Seite ist, starten wir Anfang September in Garmisch-Partenkirchen.
Ich nutze den Anreisetag, um die Umgebung zu Fuß zu erkunden - so viele Jahre ist es her, dass ich hier mit meiner Familie zum Campingurlaub sein konnte. #remember
Etappe 1: Garmisch-Partenkirchen - Obsteig
Wir starten Montagmorgen. Bei Sonnenschein und bestem Wetter. Gut gebrieft, die anderen Teilnehmenden alle schon kurz mit ihren Erwartungen am Abend vorab kennenlernen können, mit allen wichtigen Informationen versorgt, die Räder gecheckt.
Meine Erwartung?
Einen Schritt weiter zu kommen bei meinem Ziel, Höhenmeter zu meinen Freunden zu machen.
Und just direkt am Ortsrand von Garmisch kommen die ersten Höhenmeter, die ich Meter für Meter in Richtung Mittenwald hochkurbele. Jeder fährt sein Tempo, der nächste gemeinsame Stopp ist besprochen - hier warten wir aufeinander.
Die Abfahrt nach Mittenwald schließlich bringt mächtig Spaß. Und der nächste Aufstieg lässt nicht lange auf sich warten. Kurz hinter Mittenwald führt uns die Strecke rechts hinauf zum Seefelder Hochplateau und schon erreichen wir Österreich. Auch an dieser Steigung fährt jeder sein Tempo, so dass wir uns oben auf dem Plateau am Klammstüberl wieder alle zusammenfinden
Parallel zur Leutascher Ache führt uns die Straße weiter in Richtung Buchener Sattel, dessen Passhöhe auf 1.247 m liegt.
Es ist Mittagszeit und bevor wir die rasante Abfahrt nach Telfs hinunter angehen, gönnen wir uns erst mal dank der tollen Verpflegung durch Marius - der sogar aus aktuellem Anlass einen Geburtstagskuchen besorgt hat - eine ausgiebige, sonnige Mittagspause auf der Buchener Höhe.
Kurz nach der Buchener Höhe auf der Abfahrt haben wir einen ersten und tollen Blick ins mittlere Inntal in Richtung Imst, welches an folgendem Tag eines unserer Zwischenziele sein wird.
Auch diese rasante 7 km lange Abfahrt mit etwa 550 hm und durchschnittlich 8,5% Steigung lässt die Gruppe auseinanderreißen - so gehe ich diese Abfahrt etwas ruhiger und gemächlicher an und sehe schließlich alle wieder unten in Telfs am vereinbarten Treffpunkt.
Die Strecke von Telfs in Richtung Obsteig, das heutige Etappenziel, ist zäh. Der stetige, kleine Anstieg entlang der stark befahrenen Bundesstraße 189 schlaucht uns alle. Endlich können wir wieder auf einen Radweg abseits der Bundesstraße und fahren über Wildermieming und Obermieming nach Obsteig.
Die letzten Höhenmeter der heutigen Etappe sind schließlich geschafft: 62 km/1.150 hm.
In Obsteig angekommen heißt es erst mal für uns: unsere Räder gut und sicher unterbringen (wie die kommenden Tage auch), ankommen, gemeinsam zusammensitzen, den Tag Revue passieren - bevor wir unsere Zimmer beziehen und zum gemeinsamen, wohlverdienten und leckeren Abendessen wieder zusammenkommen.
Unsere erste Etappe liegt hinter uns. Großartig! Danke, Gregor, Marius und allen Mitradelnden!
Etappe 2: Obsteig - Pfunds
Es hat in der Nacht viel geregnet. Und obwohl der Regen zwischenzeitlich aufgehört hat, sind die Straßen noch immer naß. Nach einem guten Frühstück heißt es also für uns: Regenklamotten an und die Abfahrt von Obsteig hinab in Richtung Imst angehen.
Hinter Mötz gelangen wir auf den Inntal-Radweg und folgen diesem weiter in Richtung Pfunds - unserem 2. Etappenziel am Dienstag. Bis dahin gilt es, einige Kilometer und Höhenmeter - u.a. mit einer 18%igen Steigung - zu schaffen. Und auch manch weitere Herausforderung: Rund um Landeck gibt es Straßen-Bauarbeiten und für uns gibt es nur spezielle Zeit-Slots, in denen wir unsere Strecke mit dem Rennrad hier in diesem Bereich absolvieren können. Damit wir diesen Slot schaffen können, müssen wir alle gemeinsam nach unserer Mittagspause zeitig starten.
Und wir schaffen diesen Zeit-Slot, kommen auf der Strecke Richtung Pfunds - trotz aller Baustellen und Herausforderungen - gut an und erreichen entspannt unser 2. Etappenziel am Dienstagnachmittag. Wieder heißt es für uns: erst mal gemeinsam die Hotel-Terrasse okkupieren bevor wir die Zimmer beziehen und den Abend bei einem tollen Abendessen - wir haben es uns verdient - ausklingen zu lassen.
Für mich besonders an diesem Aufenthalt in Pfunds ist: Familie und Freunde fiebern diese Tage natürlich mit mir mit, "begleiten" mich auf meiner ersten Transalp. Und tatsächlich sind Freunde just in dieser Zeit in der Region unterwegs: Ich erhalte ihre Nachricht, als ich in Pfunds ankomme: "Wir sind in der Nähe und möchten Dir gerne für die 3. Etappe Glück wünschen, Dich gut auf die Strecke bringen und kommen morgen in Pfunds vorbei".
Gesagt. Getan. Meine Freunde sind Mittwochmorgen in Pfunds, machen mir Mut für die anstehenden Höhenmeter zur Norbertshöhe und zum Reschensee.
Und ich weiß: das wird klappen.
DANKE EUCH! Das ist wirklich großartig, Euch hier zu treffen!
Etappe 3: Pfunds - St. Valentin
Wir starten Mittwochmorgen in Pfunds. Heute geht es für uns durch drei Länder: Österreich - Schweiz - Italien. Den Personalausweis haben wir griffbereit, doch Grenzkontrollen in der Schweiz gibt es keine.
Der Radweg verläuft etwas hügelig und leicht ansteigend, vorbei an alten Zollstationen bis Martina. Ab der Brücke über den Inn begeben wir uns auf den Aufstieg hin zur Norbertshöhe: 11 Kehren, 6 km, knapp 400 hm und im Schnitt 6,5 % liegen vor uns. Und diese 6 km lassen sich sehr gut für uns bewältigen.
Ich klebe förmlich am Hinterrad eines Mitradlers (danke, Werner!) und kurbele Meter für Meter die Norbertshöhe hinauf - es macht Spaß und wir gewinnen peu á peu an Höhe und sind schließlich oben.
Nach der Mittagspause gehts hinab nach Nauders, welches wir durchfahren und unseren Weg zum Reschensee hin weiter auf dem Radweg Via Claudia Augusta fortsetzen. Es ist nur ein kleiner Anstieg und wir haben schließlich einen fantastischen Blick auf den Reschensee mit seinem bekannten, unter Denkmalschutz stehenden Kirchturm des im See versunkenen Ortes Graun.
2/3 der Höhenmeter der gesamten Strecke habe ich bis jetzt geschafft. Es fühlt sich super gut an, ich denke an meine Familie, für die ich diese Transalp ja auch mit fahre und ich erlebe jeden Rad-Kilometer entlang des Reschensees bis zum nächsten Treffpunkt mit der Gruppe auf der Staumauer, welche 1947-1949 gebaut wurde und dafür verantwortlich ist, dass die Ortschaft Graun und Teile des Ortes Reschen in den Fluten untergingen und viele Häuser zerstört wurden, ganz intensiv.
Aufgrund dessen, dass wir uns gerade knapp 1.500 Meter ü.d.M. befinden, ist der Reschensee zum Baden nicht geeignet - auch der Wind ist äußerst frisch und wir lassen uns hier gut durchpusten, bevor wir die kurze Abfahrt zu unserem heutigen Etappenziel angehen: St. Valentin auf der Haide am Haidersee, dem kleinen Bruder des Reschensees.
Bereits am frühen Nachmittag checken wir dieses Mal ein. Manche von uns zieht es in den Wellnessbereich, ich erkunde lieber das Dorf, das südlichste im Vinschgauer Oberland.
Der Hauptzufluss des Haidersees ist die Etsch, welche uns die folgenden Tage begleiten wird.
Eigentlich hat man - bei besserem Wetter - hier einen beeindruckenden Panoramablick auf das imposante Ortlermassiv.
Lourdekapelle (links) und die Pfarrkiche zum heiligen Valentin (rechts)
4. Etappe: St. Valentin - Meran
Noch beim Frühstück regnet es in Strömen. Als wir schließlich heute in Richtung Meran aufbrechen, hat zwar der Regen aufgehört, doch die Straßen sind sehr naß und es ist richtig kalt in diesen Höhen.
Wir fahren links des Haidersees durch Dörl in Richtung Mals und haben auf dieser Strecke den ersten Platten, der uns eine kleine Pause beschert. Zwischen den Wolken kann man die Ortlergruppe erahnen, bevor wir schließlich den Weg hinab ins Vinschgau weiterfahren.
In Mals angekommen, müssen wir uns alle nochmal kurz sammeln, da der ein oder andere eine falsche Abzweigung genommen hat. Doch schnell geht es wieder gemeinsam in der Gruppe weiter nach Prad am Stilfserjoch - dieses ist heute nicht Bestandteil unserer Route, doch irgendwann hoffe ich, dieses Stilfserjoch auch mal mit dem Rennrad erfahren zu dürfen.
Quer durch's Vinschgau vorbei an Obstplantagen, Burgen und Schlössern, wie dem Schloss Juval bei Naturns, durch eine wunderschöne Landschaft führt uns unser Weg entlang der Etsch über einen gut ausgebauten Radweg in rascher Fahrt hinab. Der angekündigte Regen bleibt aus und schließlich liegt das heutige Etappenziel vor uns: Meran!
Bevor wir zum Hotel in Meran rollen gilt es natürlich in der Gelateria Sabine erst mal einen Stopp zu machen. Unser Guide Gregor führt uns zuverlässig und gut durch Meran, entlang der Passer, vorbei an der Therme bis wir schließlich in der Via Guiseppe Garibaldi in den Genuss eines richtig guten Eises kommen, welches wir - meiner Meinung nach - absolut verdient haben.
Lecker!
An Regen denken wir heute gar nicht mehr. Nach dem Einchecken im Hotel machen wir uns direkt auf, um Meran zu erkunden. Nach einem kleinen Spaziergang vom Hotel aus erreichen wir wieder die Passerpromenade, genießen die Atmosphäre auf dem Platz vor der Stadtpfarrkirche St. Nikolaus, schlendern durch die historische Laubengasse, erklimmen den Tappeinerweg, spazieren über die Sommerpromenade und lassen den späten Nachmittag auf einer Bank an der Passer mit einem guten Gespräch ausklingen.
Schließlich treffen wir uns alle wieder zum Abendessen in einem netten Restaurant in der Laubengasse, bevor wir - von einem bereits sehr vollem Mond begleitet - zurück zum Hotel spazieren.
Ein wunderschöner Ausklang dieses Tages.
5. Etappe: Meran - Lavis
Heute ist er da: Der angekündigte Regen. Die Wettervorhersage, die wir täglich heranziehen, um unsere Uhrzeiten für die Etappenstarts abzustimmen, lässt uns keine Wahl: wir starten bei strömenden
Regen Richtung Süden über den Etschtalradweg, weiterhin Teilstück der Via Claudia Augusta-Radroute.
Die folgenden 40 km bis zum Kalterer See sind wir diesem Regen ausgesetzt und trotz Regenschutz und Regenschuhen werde ich bis auf die Haut nass.
Endlich am Kalterer See hört der Regen auf. Die Pfützen jedoch bleiben natürlich noch bestehen. Und durch diese Pfützen müssen wir hindurch. Beim Queren einer solchen erfahre ich meinen ersten "Schlangenbiss" - mein Plattfuss kommt dadurch zustande, dass beim Durchfahren dieser besonderen Pfütze die Kanten der Straße meinen Reifen und Schlauch so stark zusammendrücken, dass die Kante an die Felge kommt und die Löcher verursacht.
Sofort stehen mir meine Mitradler zur Seite (DANKE Euch - Ihr seid einfach toll!) und helfen mir, den Schlauch zu wechseln, so dass wir rasch Richtung Lavis weiter fahren können. Es bleibt bei dieser 2. Reifenpanne in unserer Gruppe während dieser Tour bis Riva. Gut so!
Exkurs: Vor sechs Jahren durfte ich Meran und die Südtiroler Weinstraße schon mal erleben - mit dem Rad, per Pedes, mit dem Gleitschirm - und bei besserem Wetter:
Endlich kommt die Sonne wieder raus und es zeigt sich blauer Himmel. Bei unserer Mittagspause kann ich mich wieder aufwärmen, genieße die paar Sonnenstrahlen bevor es weitergeht in Richtung Trient - dennoch noch immer in Vorfreude auf eine warme Dusche beim nächsten Etappenziel in Lavis.
6. Etappe: Lavis - Riva del Garda
Heute. Unser Ziel ist Riva. Gardasee. Das Ende unserer Transalp.
Am Vorabend haben wir das gemeinsame Abendessen wieder richtig genießen können, nachdem die warme Dusche die Kälte gänzlich vertrieben hat. Die Mehrheit der Teilnehmenden spricht sich dafür aus, heute etwas früher zu starten. Um die Ankunft und die Zeit in Riva in vollen Zügen genießen zu können. Ich freu mich drauf.
Um 08.30 Uhr sind alle da - auch die, die gegen den früheren Start waren. Danke Euch sehr dafür!
Wir füllen zum letzten mal unsere Trinkflaschen auf, Marius verstaut zum letzten Mal unser Gepäck und unsere Tagesrucksäcke im Begleitfahrzeug, die Ketten werden - nach dem Regentag gestern - nochmal gut geölt und los geht's bei Sonnenschein, wieder durch Obstplantagen, weiterhin entlang der Etsch, mit einer Pause in Rovereto, nordöstlich des Gardasees, wo Marius uns wieder überrascht - dieses Mal mit einem leckeren Eis. Danke Dir Marius vielmals für Deine Aufmerksamkeit und Deine Zuverlässigkeit!
Und dann: unser letzter - und sehr kurzer - Pass auf dieser Strecke: Passo St. Giovanni. Der Übergang vom Etschtal zum Gardasee. Mit bis zu 15% Steigung.
Sogar Johann Wolfgang von Goethe kam im Rahmen seiner Italienreise über diesen Pass und berichtete darüber. Ob die vielen Autofahrer, die hier entlang der Strecke im Stau stehen, dies auch berichtenswert finden - wir werden es nicht erfahren.
Aber für mich ist es wert, diesen letzten Pass auf meiner 1. Transalp mit einzubinden. Denn gleich sehe ich ihn, den Gardasee. Das Ziel unserer Transalp, als wir vor fünf Tagen in Garmisch-Partenkirchen starteten.
Unser erster Blick auf den Gardasee!
YEAH!
ANGEKOMMEN!
In Riva.
Am Gardasse.
Nach 403 km und 3.502 Höhenmetern!
Über die Ostalpen.
GESCHAFFT!
Da darf ich ein Tränchen verdrücken.
Ich bin tatsächlich sehr bewegt. Und stolz. Und glücklich. Und begeistert. Und dankbar.
Denn dass ich dieses angegangen bin, dass ich zum Rennrad fahren gekommen bin hat eine Geschichte. Und diese Geschichte habe ich hier kurz vorab erzählt.
Jetzt bin ich erst mal nur
dankbar & glücklich!
Sieht man, gell?
403 km, 3.502 hm. ✅
Zum letzten Mal für diese 1. Transalp checken wir im Hotel ein.
Und so schön, dass mir heute noch Zeit bleibt, mit einigen meiner Mitradelnden hiernach durch Riva zu schlendern, die Atmosphäre erleben zu dürfen, zur geschafften Transalp mit meiner Mitradlerin Anna einen Aperol Spritz in wunderbarer Kulisse direkt am Gardasee genießen zu können, gemeinsam mit Allen die leckerste Pizza, das beste Tiramisu überhaupt nach dieser Transalp zu schlemmen und danach noch mit einigen der Gruppe durch Riva bei Nacht zu spazieren, die Abendstimmung zu genießen, einen letzten Absacker gemeinsam zu trinken - bevor am folgenden Tag - ganz professionell und zuverlässig - der Rücktransfer von Riva nach Garmisch-Partenkirchen durchgeführt wird.
Ich bin wieder in Garmisch-Partenkirchen, unserem Ausgangspunkt der Transalp vor sechs Tagen, angekommen. Meine Rückreise in den Hunsrück verläuft einigermaßen gut - trotz Rückreisewelle der Bayern und Baden-Württemberger aufgrund der dort endenden Sommerferien.
Und auch springt mein Auto, welches während meiner Transalp in Garmisch-Partenkirchen parkte, direkt wieder an - nicht alle Mitradelnden haben dies so erleben dürfen.
Ich hoffe, dass alle meine Mitstreiter dieser Transalp wieder gut zu Hause - ganz nach dem Motto „situationselastisch“ - angekommen sind. Dass auch sie wunderschöne Erlebnisse, Begegnungen und Rückblicke aus der gemeinsamen Woche haben. Und wer weiß: Vielleicht fahren wir das nächste Level "Transalp" ja nochmal gemeinsam!
Ich bin dabei!
Freu mich auf meine nächste Challenge, Höhenmeter zu meinen Freunden zu machen - gerne wieder mit Euch gemeinsam!
So dankbar! 🚵
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Dirk (Samstag, 17 September 2022 09:38)
Chapeau und ein sehr schön geschriebener Blog über Deine Erlebnisse
Rainer (Freitag, 23 September 2022 20:43)
Liebe Anja, wenn man den Blog liest, bekommt man direkt Lust, aufs Rennrad zu steigen und mit dem Training für die nächste TransAlp, zu beginnen.
Du hast mich mit deiner Beschreibung so mitgenommen, dass ich in den Anstiegen meine Oberschenkel gespürt habe. Chapeau für deine Leistung.